Blickpunkt funktionale Beschreibungen und kausale Erklärungen

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Blickpunkt funktionale Beschreibungen und kausale Erklärungen

Dsungarischer Zwerghamster mit Sonnenblumenkernen
stock.adobe.com/ultrapro

Wärmebildung im Dsungarischen Zwerghamster

Dsungarische Zwerghamster leben in asiatischen Steppen, in denen es im Winter sehr kalt wird. Sie sind auch bei diesen Temperaturen darauf angewiesen, Nahrung außerhalb ihrer unterirdischen Baue zu suchen. Die kleinen Tiere verlieren sehr rasch Körperwärme, wenn es kalt ist. Dennoch überleben sie diese Situation.

  • Gegen den Wärmeverlust stellen die Tiere in ihrem Körper Wärme her.
  • Die Wärmeherstellung, Thermogenese, ist also eine Funktion ihres Körpers. Der Körper funktioniert so, dass er auch Wärme herstellt.
  • Dass der Körper unter anderem die Funktion hat, Wärme herzustellen, kann man beobachten und wie der Körper funktioniert, so dass er Wärme herstellt, muss man untersuchen und kann es dann erklären.

Im Hamsterkörper gibt es ein besonderes Gewebe, das braune Fettgewebe. In ihm wird besonders viel Wärme produziert. Es hat also im Hamsterkörper die Funktion, Wärme herzustellen. Dass dies eine seiner Hauptfunktionen ist, ergibt sich daraus, dass die Wärmebildung im braunen Fettgewebe dann stark zunimmt, wenn der Körper des Hamsters abkühlt.

  • Dass das braune Fettgewebe die Funktion hat, Wärme herzustellen, kann man beobachten oder experimentell bestätigen und dann beschreiben.
  • Wie das braune Fettgewebe funktioniert, muss man untersuchen, so dass man es dann erklären kann.

Beschreiben und Erklären

Nachdem man festgestellt hat, dass ein Körperteil für den Körper eine bestimmte Funktion hat, ist man in der Lage, diese Funktion zu benennen.

Was man unter der genannten Funktion genau versteht, kann man beschreiben. Solche Beschreibungen nennt man funktionale Beschreibungen.

Wenn man darstellen will, wie das Körperteil die Funktion erfüllt, muss man sein Funktionieren erklären. Erklären heißt dabei, dass man eine Kette von Argumenten liefert, bei denen Ursachen und ihre Wirkungen genannt werden. Ursache dafür, dass im braunen Fettgewebe viel Wärme produziert werden kann, ist unter anderem ein Protein in der inneren Mitochondrienmembran, das indirekt verhindert, dass in diesen Mitochondrien ATP gebildet wird und Reaktionen ermöglicht, bei denen viel Stoffwechselwärme entsteht. Genauere Untersuchungen liefern Ursachen und Wirkungen für einzelne Schritte dieser Vorgänge.

Wärme wird nicht nur im braunen Fettgewebe hergestellt. Beim braunen Fettgewebe hat sie die Funktion, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Also kann nicht nur ein Körperteil eine Funktion haben sondern auch ein Vorgang. Zu beidem werden ausführliche Formulierungen im Folgenden vorgestellt.

Die Funktionen von Körperteilen sind selbstverständlich im Laufe der Evolution entstanden. Zum Beispiel hatten Vorfahren heutiger Vögel Vorderextremitäten, die nicht als Flügel dienen konnten.

Wenn man darstellen will, wie gut ein Körperteil oder ein Vorgang für einen heutigen Organismus eine Funktion erfüllt, kann man dies an seinem Beitrag zum Fortpflanzungserfolg messen. Dazu kann man Experimente oder Beobachtungen machen. Ein Indiz für den Beitrag der Funktion des braunen Fettgewebes des Zwerghamsters zum Überleben ist, dass sich die Mitochondrienanzahl im braunen Fettgewebe im Sommer verringert und im Winter, wenn die Wärmeproduktion benötigt wird, stark erhöht. Überleben ist Voraussetzung für die Fortpflanzung, die beim Zwerghamster nur im Sommer erfolgt. Die Funktion passt zum Leben des Hamsters. Man beschreibt diese Passung und nennt den positiven Zusammenhang zwischen Funktion und Fortpflanzungserfolg Gepasstheit.

Wenn man erklären will, wie es zu dieser Gepasstheit gekommen ist, muss man herausfinden, welche Ursachen im Verlauf der Evolution zu einem Körperteil und seiner Funktion geführt haben. Das ist nicht einfach und wird häufig durch Indizien gestützt, weil Fossilien fehlen.

Zum Beispiel kann man die Entstehung der Funktion des braunen Fettgewebes beim Zwerghamster folgendermaßen erklären. Bei sehr vielen Säugetieren haben die Jungtiere ein braunes Fettgewebe. Sie sind häufig nicht in der Lage, die Körpertemperatur angemessen zu regeln. Daher haben sie braunes Fettgewebe gegen Auskühlen . Bei den meisten Säugetieren verringert sich der Anteil dieses Gewebes, wenn sie erwachsen werden. Zwerghamster, bei denen auch erwachsene Tiere umfangreiches braunes Fettgewebe haben, hätten sicherlich in kaltem Klima Fortpflanzungsvorteile gegenüber solchen, bei denen das Fettgewebe abgebaut wird. Sie könnten mehr Nachkommen bekommen. Falls dessen Ausbildung genetisch festgelegt ist. hätten die Nachkommen dann auch dieses besondere Fettgewebe. Im Verlaufe mehrerer Generationen, in denen die Umweltbedingungen gleich bleiben, würden ausschließlich Zwerghamster vorhanden sein, die auch als Erwachsene umfangreiches braunes Fettgewebe haben. Auf diese Weise könnten aus Zwerghamstern, bei denen lediglich die Jungtiere braunes Fettgewebe haben, solche entstanden sein, bei denen dies auch bei Erwachsenen vorkommt. Weil dadurch eine Gepasstheit zum kalten Winterklima entstanden ist, spricht man von Angepasstheit an dieses Klima. Der Vorgang heißt evolutive Anpassung.

In diesem Beispiel ist die Ursache für den besseren Fortpflanzungserfolg das genetisch festgelegte Merkmal „Erhalt des braunen Fettgewebes im Erwachsenenstadium“, der bessere Fortpflanzungserfolg die Ursache für die Änderung der Populationen der Zwerghamster hin zu einer mit Individuen, bei denen bei allen Erwachsenen das braune Fettgewebe erhalten bleibt.

Zusammenfassung:

Formen von Erklärungen

  • Funktionale Beschreibungen – nennt man manchmal auch funktionale Erklärungen, obwohl es keine Erklärungen sind.
    1. a) im Kontext des lebenden Organismus: die Rolle, die etwas im Organismus übernimmt. Eine vermutete Rolle kann man durch Experimente oder Beobachtungen bestätigen.
    2. b) im Kontext des Überlebens und der Fortpflanzung: Gepasstheit von Funktion und Fortpflanzungserfolg in einer bestimmten Umwelt. Gepasstheit muss bewiesen werden. Dies ist zum Teil experimentell oder durch Beobachtung möglich.
  •  Kausale Erklärungen
    • Proximate Erklärungen – Funktionieren kann man mit Ursachen und Wirkungen erklären. Diese Erklärungen sind kausale Erklärungen. Weil sie sich auf derzeit wirkende Ursachen beziehen, nennt man die Erklärungen aktual-kausal oder proximat.
    •  Ultimate Erklärungen – Angepasstheit kann man evolutionsbiologisch erklären. Genetische Einflüsse und Umwelteinflüsse, die über längere Zeit konstant bleiben, sind Ursachen für die Angepasstheit. Diese Erklärungen sind ebenfalls kausale Erklärungen. Weil sie sich auf Ursachen beziehen, die in der Vergangenheit gewirkt haben, nennt man sie historisch-kausal oder ultimat.

Konkretisierung:

am Beispiel eines Gewebes:

Funktionale Beschreibungen und kausale Erklärungen am Beispiel des Dsungarischen Zwerghamsters – Organ/Gewebe – Cornelsen | Nawi Digital

am Beispiel eines Vorgangs:

Funktionale Beschreibungen und kausale Erklärungen am Beispiel des Dsungarischen Zwerghamsters – Vorgang – Cornelsen | Nawi Digital