Abitraining Biologie Klausur Leistungskurs 4
Thema: Das Weißnasen-Syndrom bei Fledermäusen
Orientierungen zur Lösung
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Aufgabe 1: Nennen Sie eine Definition des Begriffs der ökologischen Nische und werten Sie Material A im Hinblick auf die ökologische Nische des Nördlichen Mausohrs aus. Beurteilen Sie, inwieweit das Nördliche Mausohr und die Große Braune Fledermaus im gemeinsamen Verbreitungsgebiet koexistieren können (Material A).
Teil 1) eine Definition des Begriffs der ökologischen Nische nennen:
Die ökologische Nische beschreibt die Gesamtheit der Beziehungen zwischen einer Art und ihrer Umwelt, wobei sowohl biotische als auch abiotische Faktoren berücksichtigt werden.
Teil 2) Material A im Hinblick auf die ökologische Nische des Nördlichen Mausohrs auswerten:
● Zur ökologischen Nische des Nördlichen Mausohrs gehört die nächtliche Jagd ins-besondere auf Schmetterlinge, aber auch auf Käfer, Fliegen und Hautflügler mit hoher Ultraschallfrequenz.
● Ebenfalls Teil der ökologischen Nische des Nördlichen Mausohrs sind die von ihm bevorzugten Jagdgebiete mit dichtem Bewuchs, die Sommerquartiere in lebenden Laubbäumen und die Winterquartiere mit einer Durchschnittstemperatur von 7 °C.
Teil 3) beurteilen, inwieweit das Nördliche Mausohr und die Große Braune Fledermaus im gemeinsamen Verbreitungsgebiet koexistieren können:
● Nach dem Konkurrenzausschlussprinzip können zwei Arten im selben Lebensraum dann koexistieren, wenn ihre ökologischen Nischen nicht identisch sind und sich nur teilweise überschneiden.
● Die Große Braune Fledermaus bevorzugt tote Nadelbäume im Sommer und Höhlen mit einer Durchschnittstemperatur von 2 °C im Winter, daher konkurriert sie nicht mit dem Nördlichen Mausohr um Sommer- und Winterquartiere.
● Die beiden Arten jagen mit verschiedenen Ultraschallfrequenzen und stören sich daher nicht bei der Ortung der Beute. Das Nördliche Mausohr jagt vor allem Schmetterlinge im dichten Bewuchs, die Große Braune Fledermaus jagt auch über offenem Land und vor allem Käfer. Überschneidungen gibt es bei den weiteren Beuteinsekten und Jagdgebieten.
● Die ökologischen Nischen der beiden Arten unterscheiden sich in mehreren Aspekten, daher können diese Fledermausarten koexistieren.
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Aufgabe 2: Erläutern Sie die Beziehung zwischen Fledermäusen und dem Pilz Pseudogymnoascus destructans (Material B). Vergleichen Sie die in Abbildung 1 A und 1 B dargestellten Daten und analysieren Sie die Daten im Hinblick auf die Todesursache pilzbefallener Fledermäuse in Nordamerika (Materialien A und B).
Teil 1) die Beziehung zwischen Fledermäusen und dem Pilz Pseudogymnoascus destructans erläutern:
● Es handelt sich um eine parasitische Beziehung mit dem Pilz als Parasiten und der Fledermaus als Wirt.
● P. destructans löst Nährstoffe aus haarlosen Hautbereichen der Fledermäuse.
● Der Pilz profitiert von den Nährstoffen, während die Fledermaus durch Hautverletzungen geschädigt wird.
Teil 2) die in Abbildung 1 A und 1 B dargestellten Daten vergleichen:
● Beide Messreihen wurden bei der Kleinen Braunen Fledermaus durchgeführt.
● Eine Fledermaus ohne WNS erwacht im Untersuchungszeitraum von etwa vier Monaten sieben oder acht Mal während der Überwinterung.
● Beim Erwachen erhöht sich ihre Hauttemperatur von 7 bis 12 °C auf 20 bis 24 °C, also um 8 bis 17 °C.
● Eine Fledermaus mit WNS stirbt nach etwa zwei Monaten während der Überwinterung und ist bis dahin 13 Mal erwacht.
● Beim Erwachen erhöht sich ihre Hauttemperatur von 3 bis 8 °C auf 28 bis 30 °C, also um 20 bis 27 °C.
Teil 3) die Daten im Hinblick auf die Todesursache pilzbefallener Fledermäuse in Nordamerika analysieren:
● Häufigeres Erwachen und eine stärkere Erhöhung der Hauttemperatur beim Erwachen führen zu einem höheren Energieumsatz aus den Fettreserven der Fledermaus. Die stärkere Erhöhung der Hauttemperatur könnte durch eine Reaktion des Immunsystems bei Fledermäusen mit WNS ausgelöst werden.
● Pilzbefallene Fledermäuse mit WNS setzen durch die häufigen Aufwachvorgänge zu viel Energie aus ihren Fettreserven um und verhungern, bevor sie das Winter-quartier zur Nahrungssuche verlassen können. Die etwas niedrigere Hauttemperatur pilzbefallener Fledermäuse zwischen den Aufwachvorgängen gleicht den erhöhten Energieumsatz nicht aus.
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Aufgabe 3: Werten Sie Abbildung 2 im Hinblick auf die Temperaturtoleranz von P. destructans aus (Material C). Stellen Sie eine Hypothese zur Erklärung des unterschiedlichen Ausmaßes des Weißnasen-Syndroms beim Nördlichen Mausohr und bei der Großen Braunen Fledermaus auf (Materialien A bis C).
Teil 1) Abbildung 2 im Hinblick auf die Temperaturtoleranz von P. destructans auswerten:
● Die Temperaturtoleranz wurde im Laborversuch ermittelt mithilfe der von P. destructans bewachsenen Fläche, die nach fünfwöchiger Haltung bei verschiedenen Temperaturen bedeckt wird.
● Bei 14 °C ist die bewachsene Fläche mit etwa 1,3 cm² am größten, hier liegt das Optimum der Toleranz von P. destructans bezüglich des Faktors Temperatur.
● Unterhalb von 0 °C und oberhalb von 20 °C findet kein Wachstum statt, hier liegen Minimum bzw. Maximum der Temperaturtoleranz von P. destructans.
Teil 2) eine Hypothese zur Erklärung des unterschiedlichen Ausmaßes des Weißnasensyndroms beim Nördlichen Mausohr und bei der Großen Braunen Fledermaus aufstellen:
● Die Masse des Nördlichen Mausohrs ist mit 5–8 g deutlich geringer als die Masse der Großen Braunen Fledermaus mit 11–23 g, daher hat das Nördliche Mausohr vermutlich weniger Energiereserven.
● Durch die geringere Masse des Nördlichen Mausohrs ist wahrscheinlich bei dieser Fledermausart die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen größer als bei der Großen Braunen Fledermaus. Besonders bei den Aufwachvorgängen in der Überwinterungsphase setzt daher das Nördliche Mausohr relativ mehr Energie um als die Große Braune Fledermaus.
● Bei erhöhter Anzahl der Aufwachvorgänge aufgrund von Pilzbefall wie bei der Kleinen Braunen Fledermaus könnte der damit verbundene höhere Energieumsatz des Nördlichen Mausohrs erklären, warum diese Art häufiger als die Große Braune Fledermaus die Überwinterung nicht überlebt und stärker von WNS betroffen ist.
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Aufgabe 4: Fassen Sie die in Abbildung 3 dargestellten Daten zusammen und erläutern Sie die Beziehung zwischen europäischen Fledermäusen und P. destructans aus evolutionsbiologischer Sicht (Materialien A bis D). Nehmen Sie auf dieser Grundlage Stellung zu der Frage, ob das Weißnasen-Syndrom zum Aussterben des Nördlichen Mausohrs führen wird (Materialien A bis D).
Teil 1) die in Abbildung 3 dargestellten Daten zusammenfassen:
Bei den untersuchten Großen Mausohren erwachten Individuen mit vielen Läsionen tendenziell seltener als Individuen mit wenigen Läsionen.
Teil 2) die Beziehung zwischen europäischen Fledermäusen und P. destructans aus evolutionsbiologischer Sicht erläutern:
● Im Unterschied zu nordamerikanischen Fledermäusen leben europäische Fledermäuse seit Jahrtausenden mit P. destructans zusammen und erwachen bei stärkerem Befall nicht häufiger.
● Fledermäuse, die bei einer Infektion durch P. destructans nicht häufiger erwachen, können im Unterschied zu empfindlicheren Individuen auch in pilzbefallenen Höhlen überwintern. Die Toleranz gegenüber P. destructans stellt daher für Fledermäuse in winterkalten Gebieten einen Selektionsvorteil dar.
● Individuen von P. destructans, die harmlose Läsionen bilden, können überwinternde Fledermäuse länger als Nährstoffquelle nutzen und werden durch die Fledermäuse verbreitet. Diese Individuen haben einen Selektionsvorteil gegenüber Pilzen, die ihren Wirt so stark schädigen, dass er stirbt.
● Aus evolutionsbiologischer Sicht sind diese wechselseitigen Angepasstheiten von europäischen Fledermäusen und P. destructans an ein Zusammenleben ein Beispiel für eine Koevolution.
Teil 3) auf dieser Grundlage Stellung zu der Frage nehmen, ob das Weißnasen-Syndrom zum Aussterben des Nördlichen Mausohrs führen wird:
● Es ist anzunehmen, dass die Individuen des Nördlichen Mausohrs sowohl in der Häufigkeit ihres Erwachens als auch im Ausmaß der Infektion mit P. destructans variieren.
● Daher erscheint es plausibel, dass es in den Populationen des Nördlichen Mausohrs Individuen gibt, die auf eine Infektion nicht durch häufigeres Erwachen reagieren und die Überwinterung überstehen.
● Diese gegenüber P. destructans weniger empfindlichen Individuen besitzen eine höhere Fitness und könnten ihre Allele vermehrt in den Genpool der nächsten Generationen einbringen, sodass das Nördliche Mausohr vermutlich nicht durch WNS aussterben wird.