Abitraining Biologie Klausur Leistungskurs 1
Thema: Chemotaktile Wahrnehmung bei Octopus
Orientierungen zur Lösung
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Aufgabe 1: Stellen Sie kurz die experimentelle Vorgehensweise dar und werten Sie Abbildung 1 hinsichtlich der Bedeutung der Reizarten für Octopus aus (Material A).
Teil 1) kurz die experimentelle Vorgehensweise darstellen:
Octopus vulgaris wurden im Aquarium zwei Schraubgefäße zur Auswahl gegeben, die verschiedene Nahrung enthielten, Sardellen als seine bevorzugte Nahrung und Miesmuscheln als Alternative.
Die Schraubgefäße waren so gestaltet, dass zwischen der Wirksamkeit der visuellen und chemischen Reize unterschieden werden konnte. Löcher im Deckel der Gefäße ermöglichten die Abgabe chemischer Reize, bei durchsichtigen Gefäßen konnte eine optische Wahrnehmung erfolgen.
Erfasst wurde jeweils, welches Gefäß zuerst geöffnet wurde.
Teil 2) Abbildung 1 hinsichtlich der Bedeutung der Reizarten für Octopus auswerten:
Bei chemischem Reiz, aber Fehlen des optischen Reizes, wird zu 85 % zuerst das Gefäß mit der Sardelle geöffnet, ebenso wie bei der gleichzeitigen Erfassung von chemischem und optischem Reiz.
Fehlt der chemische Reiz, öffnet der Octopus weniger häufig zuerst das Gefäß mit der Sardelle. Daraus lässt sich schließen, dass der chemische Reiz für die Wahrnehmung der Nahrung, also der potenziellen Beute, wichtiger ist als der optische Reiz.
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Aufgabe 2: Fassen Sie die in den Abbildungen 2 und 3 dargestellten Ergebnisse zusammen und erklären Sie die Signaltransduktion bei Mechano- und Chemorezeptorzellen von Octopus bimaculoides (Material B). Deuten Sie diese Versuchsergebnisse im Hinblick auf die Bedeutung der verschiedenen Reizarten unter Berücksichtigung der neuronalen Informationsverarbeitung im Ganglion bei Octopus bimaculoides (Materialien A und B).
Teil 1) die in den Abbildungen 2 und 3 dargestellten Ergebnisse zusammenfassen:
Abbildung 2:
Die Stützzelle reagiert nicht auf einen mechanischen oder einen chemischen Reiz.
Die Mechanorezeptorzelle reagiert auf den mechanischen Reiz mit einem kurzen, starken Einstrom von Kationen, reagiert aber nicht auf einen chemischen Reiz.
Die Chemorezeptorzelle reagiert auf den chemischen Reiz (Fischextrakt) mit einem längeren, nicht so starken Einstrom von Kationen, nicht aber auf den mechanischen Reiz.
Abbildung 3:
Die Stützzelle zeigt keine Bildung von Aktionspotentialen, auch bei einem Reizstrom von 40 pA.
Die Mechanorezeptorzelle reagiert auf den Reizstrom ab etwa 15 pA mit einer niedrigen Aktionspotential-Frequenz, die sich bei zunehmendem Reizstrom auf etwa zwei Aktionspotentiale pro Sekunde erhöht.
Der Chemorezeptorzelle reagiert auf Reizstrom ab 10 pA. Die Frequenz der Aktionspotentiale steigt bei zunehmendem Reizstrom stark an bis auf etwa 10 Aktionspotentiale pro Sekunde bei 30 pA.
Teil 2) die Signaltransduktion bei Mechano- und Chemorezeptorzellen von Octopus bimaculoides erklären:
Wird die Chemorezeptorzelle adäquat durch einen chemischen Stoff gereizt, kommt es zu einem langandauernden Einstrom von Kationen wie etwa Natriumionen in die Sinneszelle, es entsteht ein Rezeptorpotential.
Wird die Mechanorezeptorzelle adäquat durch eine Auslenkung gereizt, kommt es schnell zu einem starken und kurzen Einstrom von Kationen wie etwa Natriumionen in die Sinneszelle, es entsteht ein Rezeptorpotential.
Die jeweilige Sinneszelle depolarisiert, das Rezeptorpotential wird in der Rezeptorzelle weitergeleitet und am Axon werden spannungsgesteuerte Natriumionen-Kanäle geöffnet.
Teil 3) diese Versuchsergebnisse im Hinblick auf die Bedeutung der verschiedenen Reizarten unter Berücksichtigung der neuronalen Informationsverarbeitung im Ganglion bei Octopus bimaculoides deuten:
Da Chemo- und Mechanorezeptorzellen der Saugnäpfe nur auf den jeweiligen adäquaten Reiz reagieren, können bei der weiteren neuronalen Verarbeitung die Reizarten unterschieden werden.
Bei gleichem künstlichen Reizstrom reagieren Chemo- und Mechanorezeptorzellen mit unterschiedlich hohen Frequenzen von Aktionspotentialen. Wenn Chemorezeptorzellen auch bei natürlicher Reizung deutlich stärker als Mechanorezeptorzellen auf den jeweiligen adäquaten Reiz reagieren, dann kann dies bei der Unterscheidung der Reizarten im Ganglion oder der weiteren neuronalen Verarbeitung eine Rolle spielen.
Die Verarbeitung der neuronalen Informationen im Ganglion des jeweiligen Octopus-Arms könnte dann direkt zu passenden Bewegungen des jeweiligen Arms führen. Die Rezeptorzellen in den Saugnäpfen steuern so letztlich die Bewegungen der Saugnäpfe und des Arms.
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Aufgabe 3: Stellen Sie die Patch-Clamp-Technik dar. Werten Sie Tabelle 1 im Hinblick auf die Spezifität der beiden CR-Proteine aus (Material C). Erläutern Sie die Bedeutung der ausgewählten CR-Proteine und der Mechanorezeptoren für das Verhalten von Octopus bimaculoides unter natürlichen Bedingungen (Materialien A bis C).
Teil 1) die Patch-Clamp-Technik darstellen:
Die Patch-Clamp-Technik erlaubt es, den Ionenfluss durch einen Ionenkanal zu messen. Dazu wird eine sehr feine Saugkapillare mit einer Messelektrode so auf die Membran eines Neurons gesetzt, dass idealerweise nur ein Ionenkanal enthalten ist. Die Membran wird leicht angesaugt, sodass der Rand dicht abgeschlossen ist. Wird das Neuron einem Reiz ausgesetzt, kann der Ionenfluss durch den Kanal über die Änderung der Stromstärke ermittelt werden.
Teil 2) Tabelle 1 im Hinblick auf die Spezifität der beiden CR-Proteine auswerten:
● Beide CR-Proteine reagierten auf Stoffe, die sich in Fischextrakt befinden, also auf chemische Signale potenzieller Beute.
● CR518 reagierte auf hydrophobe Substanzen, die von möglichen Beutetieren bei Bedrohung abgegeben werden. Da Atractylon- und Polygodial nur schwer wasserlöslich sind, werden sie sich weniger schnell im Wasser verteilen, sondern in der Nähe der potenziellen Beute in höherer Konzentration auftreten.
● CR840 reagierte auf diese Substanzen nicht, dieses Chemorezeptorprotein muss eine andere Spezifität aufweisen.
● Die gleichzeitige Gabe von Tinte und Fischextrakt führte bei CR518 nicht zur Aktivierung, bei CR840 zu einer mittleren Aktvierung. Tinte hemmte daher insbesondere CR518, in geringerem Umfang auch CR840. Auch hier unterscheiden sich die beiden Proteine, sodass sie vermutlich unterschiedliche Liganden binden können.
Teil 3) die Bedeutung der ausgewählten CR-Proteine und der Mechanorezeptoren für das Verhalten von Octopus bimaculoides unter natürlichen Bedingungen erläutern:
● Da Chemorezeptorzellen mit CR518 empfindlich gegenüber beutespezifischen Stoffen sind, können eine starke Aktivierung und als Folge dann hohe Aktionspotential-Frequenzen zu einer Armbewegung und dann zu einem Jagderfolg führen. Daher ist die Spezialisierung auf die hydrophoben Substanzen Atractylon und Polygodial von Vorteil bei der Lokalisation von Beute im Wasser.
● Die Hemmung der CR518-Kanäle und der CR840-Kanäle durch Tinte auch in Anwesenheit von Fischextrakt bewirkt eine Verringerung der Aktionspotential-Frequenzen. Dies ermöglicht eine Beendigung des Jagdverhaltens bei Gefahr für Octopus. Dann erfolgt vorrangig eine Fluchtreaktion.
● Eine Kombination aus mechanischer Reizung durch Berühren der Beute und chemischer Reizung, zum Beispiel durch Atractylon oder Polygodial, könnte den Jagderfolg erhöhen, da die Beute so sehr spezifisch erkannt werden kann. Die Verarbeitung der Reize im Ganglion des jeweiligen Arms ist vorteilhaft für eine schnelle Reaktion und damit für den Jagderfolg.
● Octopus sucht auch im Untergrund nach Nahrung. Hier spielen visuelle Reize eine geringe Rolle, aber eine gute Auswertung mechanischer und chemischer Reize liefert Hinweise auf potenzielle Beute. Dies entspricht der Bedeutung der verschiedenen Reizarten aus den Verhaltensexperimenten und den neurophysiologischen Untersuchungen.
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Aufgabe 4: Analysieren Sie den Stammbaum in Abbildung 4 bezüglich der Evolution der ausgewählten Rezeptorproteine (Material D) und entwickeln Sie eine Hypothese zur Entwicklung der CR-Proteine mithilfe der Synthetischen Evolutionstheorie (Materialien A bis D).
Teil 1) den Stammbaum in Abbildung 4 bezüglich der Evolution der ausgewählten Rezeptorproteine analysieren:
Alle dargestellten Kanalproteine der Octopus-Arten gehen auf eine Stammform eines ACh-Rezeptorproteins zurück. Es liegt sowohl bei den ACh-Rezeptorproteinen als auch bei den CR-Proteinen eine Vielfalt innerhalb der Rezeptorprotein-Gruppen vor.
Die ACh-Rezeptorproteine bilden eine gemeinsame Gruppe, deren Entwicklungslinien sich an der Basis des Stammbaums verzweigen. Sie stellen die evolutionär ursprünglichere Gruppe von ligandengesteuerten Ionenkanälen dar.
Aus der Gruppe der ACh-Rezeptorproteine zweigt die Entwicklungslinie ab, die zu der Gruppe der CR-Proteine führt. Da sie nur bei Octopus-Arten und anderen Kopffüßern bekannt sind, handelt es sich vermutlich um eine abgeleitete Form von ligandengesteuerten Ionen-Kanälen.
Teil 2) eine Hypothese zur Entwicklung der CR-Proteine mithilfe der Synthetischen Evolutionstheorie entwickeln:
● Genverdopplungen führten zu mehreren Genkopien, die unabhängig voneinander von Mutationen betroffen sind. Ist der für die Ligandenbindung benötigte Bereich mutiert, kann sich die Bindungsspezifität des Rezeptorproteins verändern. So kann die Bindungsfähigkeit für Acetylcholin verloren gehen, aber stattdessen eine Bindungsspezifität für andere Liganden entstehen.
● Die Vielfalt von Chemorezeptorproteinen für die Wahrnehmung unterschiedlicher Substanzen entwickelte sich durch weitere Genduplikationen und sukzessive Veränderung der Genkopien. Octopus-Individuen mit Genvarianten, die die Bindung von beutespezifischen Substanzen ermöglichen, hatten Selektionsvorteile aufgrund eines höheren Jagderfolgs.
● Die erfolgreicheren Individuen erzielten eine höhere reproduktive Fitness, brachten ihre Allele vermehrt in den Genpool der Folgegeneration ein und daher verschoben sich die Allelfrequenzen.