Exkurs Geschichte: Frauen in der Wissenschaft – Clara Immerwahr

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Exkurs Geschichte: Frauen in der Wissenschaft – Clara Immerwahr

Fritz Haber entdeckt 1907 das Ammoniakgleichgewicht und verewigte sich damit in den Geschichts- und Chemiebüchern. Sein 1905 veröffentlichtes Lehrbuch Thermodynamik technischer Gasreaktionen, war ein großer Erfolg. Er widmete es seiner Frau mit den Worten: „Meiner lieben Frau Clara Haber, Dr. phil., zum Dank für stille Mitarbeit zugeeignet“. Die Widmung wurde von Biograf*innen später unterschiedlich beurteilt; zum Teil wurde daraus geschlossen, dass sie auch inhaltlich zugearbeitet habe. Im Lichte der schwierigen Stellung von Frauen in der Wissenschaft zur damaligen Zeit und Clara Habers Fähigkeiten betrachtet, klingt das nicht abwegig: Clara Immerwahr (später dann Haber) war eine der ersten Frauen überhaupt, die in Deutschland im Fach Chemie den Doktorgrad erlangte.

Geboren als jüngste Tochter des Chemikers Philipp Immerwahr und dessen Ehefrau Anna Krohn am 21. Juni 1870 in der Nähe von Breslau (heute Wrocław, Polen), zeigt Clara Immerwahr schon früh ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften. Sie absolviert ein Chemiestudium, was einer Frau in der damaligen Zeit ein hohes Maß an Zivilcourage abverlangt. Nach dem Chemiestudium promoviert sie 1900 als erste Frau an der Universität Breslau mit „magna cum laude“ im Fach Physikalische Chemie. Mehrere ihrer Arbeiten z. B. über elektrische Messungen an Schwermetallsalzen erscheinen in Fachzeitschriften. 1901 heiratet sie Fritz Haber (1868 bis 1934), ein Jahr später kommt ihr Sohn Hermann (1902 bis 1946) zur Welt. Immerwahr versucht, Ehe und Wissenschaft miteinander zu verbinden. So unterstützt sie fachlich Habers Forschungsarbeiten, ohne jedoch darin namentlich erwähnt zu werden. Immerwahr hält außerdem Vorträge über „Chemie und Physik im Haushalt“ vor Frauen in Arbeiterbildungsvereinen, den Vorläufern der heutigen Volkshochschulen. Während Fritz Haber eine steile Karriere gelingt, sieht sich Clara Immerwahr immer stärker in die Rolle der Ehefrau und Mutter gedrängt. Ihre Versuche, wissenschaftlich tätig zu sein, scheitern immer wieder auch aufgrund der fehlenden Unterstützung ihres Mannes.

Fritz Haber entdeckt 1907 das Ammoniakgleichgewicht. Zusammen mit Carl Bosch entwickelt er zwischen 1909 und 1912 bei BASF in Oppau/Ludwigshafen die großtechnische Ammoniaksynthese aus der Luft (Haber-Bosch-Verfahren). Dieses Verfahren machte die deutsche Sprengstoffindustrie vom bis dahin als Rohstoff verwendeten Chile-Salpeter unabhängig. Ohne dieses Verfahren hätten in Deutschland ab Herbst 1914 keine Sprengstoffe mehr produziert werden können. Zunehmend beschäftigt sich Fritz Haber nun mit der Suche nach neuen Kampfgasen und übernimmt 1914 nach Beginn des 1. Weltkriegs als Abteilungsleiter im Kriegsministerium die wissenschaftliche Verantwortung für das gesamte Gaskampfwesen. In mehreren Briefen an ihren Ehemann äußert sich Immerwahr überaus kritisch zu seiner Forschung und bezeichnet sie als eine „Perversion der Wissenschaft“. Haber wirft ihr dagegen „Landesverrat“ und „antimilitärische Einstellung“ vor. Ihre persönliche Beziehung zu Haber wird durch sein militärisches Engagement zunehmend belastet. Am 22. April 1915 befehligt Haber persönlich an einem Abschnitt der Westfront bei Ypern (Belgien) den Einsatz von Chlor – mit verheerenden Folgen: 15 000 Engländer und Franzosen werden fast schutzlos überrascht, 5000 von ihnen sterben. Den zweiten deutschen Gasangriff soll Haber an der Ostfront vorbereiten. Clara Immerwahr möchte ihn davon abhalten.

Sie erschießt sich während seines Aufenthalts in Berlin am Morgen des 2. Mai 1915 mit der Dienstwaffe ihres Ehemanns auf dem Gelände des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin-Dahlem. Haber zeigt sich davon unbeeindruckt und fährt noch am gleichen Tag an die Ostfront.